Interview mit Tomas
Verner im November 2013 in Oberstdorf
Q: Nach zwei
schwierigen Jahren hast du nun einen tollen Saisonstart hingelegt.
Viele hatten dich schon abgeschrieben, du selbst warst demotiviert.
Wie ist es dir gelungen, so stark zurückzukommen?
A: Das ist eine
lange Frage. Aber es stimmt eigentlich. Ich habe schon eine Menge
Interviews dieses Jahr gemacht und alle haben gesagt, nach der
letzten schwierigen Saison bist du nun wieder im Spiel. Aber es waren
zwei schwierige Saisons! Um so schwieriger war es. Zwei Jahre habe
ich viel trainiert, aber keine guten Resultate gehabt. Es hat auch
keinen Spaß mehr gemacht zu laufen und da war keine Freude. Und
natürlich hatte ich nach der Weltmeisterschaft in London die
Gedanken aufzuhören. Ich kann das öffentlich sagen, dass ich
aufhören wollte. Aber ich wollte diese Entscheidung nicht gleich
nach der Weltmeisterschaft treffen und ich bin erst einmal nach Hause
gereist und dort bin ich ein paar Monate geblieben. Und habe
überlegt, was ich machen möchte. Dann habe ich mich entschieden,
nochmals ein IceDOME Camp zu machen. Ich wollte einfach eine frische
Luft einatmen und etwas Neues erleben. Also nicht Eislaufen, das ist
ja nichts Neues. Es war damals im Sommer nur eine Idee für ein
Trainingslager. Und dann bin ich hierher gekommen und nach 3 Wochen
war mir klar, dass ich wieder zurück will. Es hat nichts zu tun mit
meiner Trainingsgruppe in Kanada. Mein Trainer dort war ein sehr
guter Trainer und Lori Nicol und Bob Emerson waren ja auch da. Jede
Menge andere Leute waren auch dabei, die viel geholfen haben. Aber es
hat sich am Ende nicht gezeigt. Es ist schwer zu sagen, weil das
Trainingsteam gut war. Es lag wirklich an mir selbst, weil ich
Schwierigkeiten hatte mit meinem Rücken. Da gab es immer Probleme:
Training an - aus - wieder an - und so, also es war schon
kompliziert. Und dadurch habe ich auch mein Selbstbewusstsein
verloren. Und ohne gesund zu sein und ohne ein gesundes Maß an
Selbstbewusstsein zu laufen, das geht gar nicht. Deshalb war es
schwierig. Und nach den 3 Wochen hier im iceDOME Trainingslager wurde
mir klar, dass es für mich viel besser wäre, wenn ich wieder zurück
nach Europa ziehen würde. Nicht nur, dass Herr Huth und Carolina
hier sind. Sondern dass ich auch in aller Ruhe zurück in die Schule
gehen kann. Meine Schule wurde bezahlt vom Olympischen Verband. Ich
habe eine medizinische Versorgung hier. Also auch hier in Oberstdorf,
aber wenn was ist, dann habe ich wirklich professionelle Leute in
Prag, die sich um mich kümmern und die auf mich aufpassen: Das ist
ganz wichtig. Also ich muss sagen, dass ich nun 4 Monate ohne
Schmerzen bin und das sieht man halt dann auf dem Eis. Mein Training
sieht auch anders aus. Ich trainiere nicht so häufig. Am meisten 3
Stunden, aber normalerweise nur 2 Stunden am Tag, aber desto
intensiver und weniger Fehler. Meine Gesundheit hat sich verbessert
dadurch und dazu bin ich in der Nähe von meiner Familie. Das zählt
auch. Aber ich habe auch einen Mental-Coach in der Tschechei. Die
Verbindung mit ihm nach Canada war schwierig. Obwohl man natürlich
telefonieren und skypen kann. Das ist zwar möglich, aber jetzt wo
ich zurück bin in Oberstdorf haben wir eine viel nähere Verbindung.
Wir konnten auch eine Woche lang zusammen ein Seminar machen und das
war schon ein Impact, das hat schon was hinterlassen. Das war anders
als nur mit jemandem eine Stunde zu sprechen. Eine ganze Woche
Trainingslager nur für mentale Vorbereitung ist schon heftig und das
hat geholfen. Nicht nur in Wettkämpfen, auch im Training. Ich sehe
jetzt, dass ich anders trainiere als ich es vorher sah. jetzt anders
als ich es vorher gemacht habe. So hat sich einiges verändert. Für
mich war es kein so großer Umzug weil ich ja aus Oberstdorf kam.
Also ich bin aus Oberstdorf ausgewandert nach Kanada und jetzt bin
ich wieder zurück. Aber dieser Umzug und diese Umgebungsveränderung
hat mir geholfen wieder auf die Beine zu kommen. Ich wollte
eigentlich gar nicht gleich alle Wettkämpfe gewinnen. Natürlich ist
es schön, wenn das passiert. Ich bin auch nicht fehlerfrei gelaufen,
das ist mir klar und das ist auch Herrn Huth klar. Der war dabei und
hat gesehen, dass Fehler passiert sind. Aber für einen Start war es
recht gut und für mich war es wichtig, die Olympiapunkte zu holen.
Weil es war so schlimm die letzten Jahre, dass ich mich nicht mehr
für EM und WM qualifiziert habe. Das Ziel war am Anfang der Saison am meisten
Elemente im Programm zu machen und das hat sich gelohnt. Das hat
geklappt.
Q. Was ist das
dann für ein Gefühl, endlich wieder gut zu laufen und oben auf dem
Podium zu stehen?
A: Ich kann es
nicht mit Worten beschreiben! Es geht nicht um die Medaillen. Also
ich könnte locker in Nizza und Bratislava zweiter oder dritter
werden und sagen, die Jungs waren besser als ich. Aber ich habe zu
dem Zeitpunkt alles gegeben und alles gezeigt, was ich zeigen könnte.
Und das ist früh in der Saison. Das sieht man auch bei Grand Prix.
Also so ein Gefühl nach dem Programm zu haben, also innerlich, was
ich nicht nach außen machen konnte weil ich so müde war... ich habe
innerlich gelacht. Also wirklich gelacht, ich war einfach zufrieden!
Ich meine, natürlich nicht komplett zufrieden, das kommt noch. Aber
es hat wieder Spaß gemacht und ich habe wieder so viel Freude am
Laufen gehabt. Es ist halt anders wenn du spürst, dass die Zuschauer
für dich da sind und klatschen nicht nur, um dich zu unterstützen,
sondern auch vor Begeisterung. Weil sie mögen was sie gerade sehen.
Das ist nicht so häufig passiert in den letzten zwei Jahren. Jetzt
ist es eben gerade passiert und es war einfach ein Traum. Es war
Eislaufen wie vor 5 Jahren. Ich bin einfach die Zeit zurückgesprungen
und habe wieder Freude am Laufen gehabt.
Q. Du warst nahe
dran alles hinzuschmeißen?! Wer oder was hat dich zum Weitermachen
motiviert?
A: Ja, ich war
sehr, sehr nahe dran. Ich kann das nicht mit Worten beschreiben
genauso wie die Freude. Wie sehr ich mich gefreut habe wieder ein
gutes Programm zu zeigen. Genauso kann ich nicht beschreiben wie
deprimiert ich war nach der zweiten Saison als nichts gelungen ist
und nichts funktionierte. Ich habe so viel gearbeitet und war jeden
Tag 3 Stunden auf dem Eis und habe off ice gemacht und ganz viel. Im
Training hat einigermaßen alles geklappt. Da bin ich Programme
gelaufen.... Es ist in Kanada so, dass man jeden Tag Kür, Kurzkür
und nochmal Kür läuft. Hier ist es ein bisschen anders. Da hat
alles geklappt im Training, aber im Wettkampf nicht. Es war kein
Selbstbewusstsein da. Es hat nichts geklappt. Ich war so nahe dran
meine Schlittschuhe in die Mülltonne zu schmeißen. Es war nicht
fünf vor zwölf, sondern schon 1 Minute vor zwölf. Ich sagte mir,
dass ich echt traurig bin nach der Weltmeisterschaft, aber dass ich
jetzt die Entscheidung nicht treffe. Ich warte mal. Dann habe ich
Herrn Huth angerufen und er sagte "ja okay Tommy, komm einfach
zum iceDOME". Und dann nach dem iceDOME war es Herr Huth, der
die Entscheidung treffen musste, denke ich. Weil ich habe ihm einfach
gesagt "Herr Huth, es ist zwar sehr kompliziert. Ich war weg und
für mich ist die Frage, ob sie mich wieder annehmen werden als
Sportler. Ich will wieder zurück." Ich habe verstanden, dass
man für eine solche Entscheidung etwas Zeit braucht. Aber Herr Huth
brauchte eben mal so 3 Minuten. Aber es war nicht gleich so "aber
natürlich, komm zurück und dann legen wir wieder los!" Die
Frage war, ob ich das wirklich machen will, ob ich wirklich noch
laufen will. Dann schon, dann darf ich zurückkommen nach Oberstdorf.
Aber wenn es nur zum Spaß ist, dann natürlich nicht. Denn er ist
sehr beschäftigt, er hat viel um die Ohren, er hat viel zu tun. Aber
deswegen bin ich zurück nach Oberstdorf gekommen und habe alles
geändert. Alles! Nicht vor der Saison, sondern inmitten der
olympischen Saison habe ich alles geändert. Dank Herrn Huth ist das
alles möglich. Ich bin zum ersten iceDOME gekommen nur um diese 4
Wochen zu trainieren. Nach 3 Wochen habe ich die Entscheidung
getroffen und nicht nach rechts und links geguckt, sondern einfach
gesagt "ich wil!" Dass ich das noch klären musste zu Hause
in Kanada und noch weiter ... es war gar nicht so einfach. Aber nach
3 Wochen iceDOME wusste ich, dass ich zurück will. Und dann musste
ich zuerst einmal Herrn Huth fragen und ER hat dann die Entscheidung
getroffen. Hätte er "nein" gesagt, dann wäre es total
anders. Ich weißt nicht, ich will gar nicht darüber nachdenken. Er
sagte "ja" und dann am Ende des iceDOMES Mitte Juli musste
ich einen Plan entwickeln. Ich habe Herrn Huth gesagt, dass ich noch
zurück fliegen muss nach Kanada um Sachen zu kären und ihnen
Bescheid zu sagen. Und ich habe gesagt, dass ich mich zum nächsten
iceDOME wieder anmelde. Am ersten Tag bin ich wieder dabei. Seitdem
bin ich wieder in Oberstdorf angekommen und das ist jetzt auch mein
Zuhause. Ich habe es so gemacht, dass Oberstdorf mein Zuhause ist und
ich verbringe sehr wenig Zeit in Prag, nur für Schule. Leider sehe
ich meine Eltern nicht so oft, was ich mir wünschen würde. Aber es
ist alles um es leichter für mich zu machen, dass es hier men
Zuhause ist. Hier lebe ich, hier wohne ich, hier trainiere ich. Hier
mache ich alles.
7. Wie vertraut
war es für dich, wieder mit deinen alten Trainern zu arbeiten, und
an der Seite von Carolina zu trainieren? Oder gab es ein gewisses
„Fremdeln“ am Anfang?
A: Hmhh, das ist
eine sehr persönliche Frage. Ich weiß, es war auch nicht so leicht
für Herrn Huth wieder mit mir zu arbeiten. Ich werde ihm diese Frage
aber auch nicht stellen. Von mir aus nach der zweiten Stunde mit ihm
hatte ich fast Tränen in den Augen. Denn es war fast wie vorher. Es
war als wenn die 3 Jahre gar nicht passiert sind. Es waren schon sehr
starke Gefühle, dass ich wieder Zuhause bin. Wenn Herr Huth mit
einem Sportler arbeitet, dann arbeitet er auch mit seinem Herzen. Er
legt sich wirklich ins Zeug. Er ist nicht nur ein Trainer an der
Bande und sagt "mach das nochmal und das nochmal." Er sieht
dich an und fühlt mit dir, also kein Mitleid, das nicht. Aber du
siehst, dass er sich wirklich sorgt. Und ich war ja hier nur die paar
Wochen und er hat sich die Zeit genommen und mit mir wirklich
gearbeitet so wie vorher. Also nicht nur für die 4 Wochen Seminar.
Er hat wieder alles gegeben und ich wusste, das will ich wieder.
Diese enge Verbindung und dieses Vertrauen zum Trainer zu haben ist
ganz wichtig. Wenn du deinem Trainer nicht vertraust dann kannst du
alles schmeißen, das macht keinen Sinn. Und Herrn Huth konnte ich,
kann ich und werde ich in Zukunft immer vertrauen. Er macht seine
Sache ordentlich mit Herz, mit Gefühl, aber auch mit dem Kopf und
mit Erfahrungen. Und er hat viele Erfahrungen! Und was Caro betrifft:
mit Caro zusammen zu trainieren ist eigentlich schwierig, es ist sehr
schwer weil ..... ihre
Programme so gut sind... wenn sie läuft kann ich eigentlich gar
nicht arbeiten. Dann muss ich innehalten und zuschauen, es gehen
Minuten von meinem Training weg. Das sage ich jetzt wirklich wie es
ist, ich übertreibe nicht. Ich MUSS es mir anschauen! Es ist
Wahnsinn mit Caro zu arbeiten, denn sie arbeitet heftiger und
kräftiger als ein Mann. Sie zieht durch ohne Ende. Ob sie müde ist
oder nicht müde ist, sie läuft immer weiter... und das motiviert!
Und natürlich ist eine wunderhübsche Frau, das hilft auch um zu
motivieren (lacht). Wie gesagt, ihre Programme sind so schön, ich
muss immer zuschauen. Aber sonst ist es perfekt und sie ist ein
Traum-Sparringpartner. Man kann sich nichts Besseres wünschen.
Q:. Bereust du es,
dass du nach Kanada gegangen bist oder was denkst du über deine Zeit
dort?
A: Nein, ganz und
gar nicht. Ich denke, ich musste nach Kanada gehen und ich bin
überzeugt, dass es eine gute Erfahrung für mich war. Und jetzt bin
ich hier zurück und ich will gar nicht beschreiben, wie viel das
mein Leben verändert hat... von meiner Denkweise und so.... es war
richtig für mich nach Kanada zu gehen und die Entscheidung selber zu
treffen.und auch mit den Konsequenzen zu leben. Ich bin auch schon 27
und ich bin nicht nur Sportler. Ich bin auch ein Mensch und ich muss
mein Leben leben. Die letzten zwei Jahre in Kanada waren auf dem Eis
keine gute Zeit für mich. Aber sonst.... was ich dort gefunden
habe... dadurch ist mein Leben reicher geworden. Ich habe keine
schlechten Gedanken, dass ich nach Kanada gegangen bin, wirklich
nicht. Ich denke, ich brauchte es und jetzt bin ich zufrieden wieder
hier in Oberstdorf zu sein.
Q: Du hattest
Rückenprobleme, wie geht es dir jetzt?
A: Jetzt geht es
mir gut! Ich muss aber immer aufpassen auf meinen Rücken und darf
nicht so viel Sprünge am Tag machen. Aber ich sehe es nicht wie eine
Behinderung. Ich sehe es eher als eine positive Sache an, denn jetzt
muss ich präziser arbeiten. Ich darf im Training nicht mehr 200
Sprünge machen, das geht nicht. Ich darf nicht die Sprünge
aufreißen. Das ist viel anstrengender für meinen Rücken als zu
fallen. Fehler werden jetzt weniger passieren weil ich weiß, dass
ich nur wenige machen darf. Und ich denke, dass meine Rückenprobleme
mir letzendlich jetzt geholfen haben. Natürlich nur jetzt, denn
jetzt habe ich sie unter Kontrolle und ich habe jede Menge Übungen
bekommen von den Leuten in Prag. Das ist ein spezielles Sportzentrum
nur für Sportler und da sind die besten Leute vom Fach. Sie machen
keine Behandlungen. Denn Behandlungen kann ich auch hier machen in
Oberstdorf. In Prag komme ich rein und sie fragen mich, was ich für
ein Problem habe und was ich tun will. Und dann entwickeln sie ein
Trainingsprogramm für mich. Und das muss ich dann alleine machen,
das liegt an mir. Das ist perfekt, weil ich dann alles in Händen
habe und die Kontrolle habe über meine Rückenschmerzen. Das ist
genial und das sollten eigentlich alle Läufer oder alle Leute
machen. Also nicht nur zum Physiotherapeuten gehen und sagen "nun
fixen sie mich und machen mir die Schmerzen weg". Nein, so
passiert das nicht. Man muss daran arbeiten und das tue ich jetzt,
aber unter Kontrolle. Und die Kontrolle ist in Prag.
Q: Wie hast du die
neue Kurzprogramm-Musik ausgesucht?
A: Die hat die
Lori für mich gefunden. Es war ungefähr vor einem Jahr, dass sie
mir die Musik vorgespielt hat. Ich kannte diese Musik. Ich weiß
nicht woher, aber ich kannte die Musik und sie ist super. Ich finde
sie lustig, ich finde sie toll für's Eislaufen. Aber ich hatte ein
bisschen Angst, dass sie zu schnell ist und Lori wollte, dass ich
diese Musik für Shows nehme. Nur Showlaufen, kein Kurzprogramm. Aber
ich dachte "nein, das ist meine Kurzkür! Das muss so sein!"
Es ist so wie bei Django Reinhardt Gypsi Swing. Das war genauso, das
war Liebe auf die erste Note. Habe ich gehört, habe ich mich
verliebt. Und mit dieser Dueling Banjo war es genauso. Wir mussten
nur den passenden ersten Teil dafür finden. Das hat wieder Lenore
Kay gemacht, sie arbeitet eng mit Lori zusammen und sie arbeiten auch
für andere Sportler wie Carolina und so weiter. Wir haben den ersten
Teil gefunden und sagten wir legen los und machen eine Kurzkür. Und
dann hat es nur 3 Tage gedauert und die Kurzkür war fertig. Ich bin
das Programm durchgelaufen und habe gesag "okay, es war eine
gute Wahl! Es ist eine Kurzkur-Musik!" Ich wusste es gleich. Ich
wusste also genau, was ich machen wollte in dieser Saison falls ich
laufe. Kür war eine andere Frage, aber In diese Kurzkür hatte ich
mich verliebt und es war für mich klar.
Q: Wie zufrieden
bist du damit, zur Tango-Kür zurückgekehrt zu sein? Wie hast du sie
überarbeitet?
A: Das ist eine
lange Geschichte! Ich liebte diese Tangomusik im Jahr 2008/2009. Und
ich fand es immer schade, dass ich es nur ein Jahr gelaufen bin. Es
gab Stellen wo ich dachte, da brauche ich ein bisschen mehr Zeit um
das noch besser zu können und auszudrücken. Und jetzt habe ich
diese Chance. Eigentlich wollte ich etwas anderes machen, nämlich
das Programm vom Jahr davor nehmen. Aber nur dieses Thema: Requieme
for a dream. Mein allerliebstes Programm von 2007 was ich je gelaufen
bin, in Tokio bei den Weltmeisterschaften. Also diese Musik mag ich.
Diese Musik ist stark, sie motiviert und sie bringt auch die
Zuschauer in sich. Dann bin ich zu Herrn Sinicyn gegangen weil er das
Programm choreographiert hatte und ich dachte, lass uns eine
Variation von diesem Programm machen. Also nicht diese Musik nehmen,
wir nehmen das Thema, aber die Musik wird ein bisschen mehr Pop, halt
anders. Aber weil ich erst Mitte Juli zu ihm gekommen bin, meinte er
"es macht keinen Sinn, weil du keine Zeit hast. Du hast gerade
eine neue Kurzkür gebaut und es wird ein paar Wochen dauern bis du
diese laufen kannst. Und wenn nun eine ganz neue Kür dazu kommt,
dann schaffst du das nicht." Dann kam Herr Huth dazu, und damals
wir er noch nicht wieder mein Trainer, und da hat er mir einen Rat
gegegen und gesagt" Ja, ich denke, dass Herr Sinicyn Recht hat.
Nimm kein ganz neues Programm, nimm was du laufen kannst. Etwas, was
gut aussieht und was ganz verschieden ist von deiner Kurzkür. Ich
denke, von der Kurzkür kann nichts weiter liegen als Tango. Die
Kurzkür ist lustig, spaßig und verrückt und Tango ist dagegen
seriös und stark und so". Dann habe ich gesagt okay, das machen
wir. Aber ich muss die Schritte und ein paar Stellen ändern. Wir
haben zusammen mit Herrn Sinicyn gearbeitet hier während iceDOME und
dann habe ich das Ganze mitgenommen nach Kanada und da hat es die
Lori wieder anders bearbeitet. Aber Lori und Herr Sinicyn verstehen
sich ganz gut. Sie haben kein Problem damit, einen berührt das hier
und einen berührt das hier. Es war alles okay, dass sie wieder alles
geändert hat...von mir aus... mir macht das nichts. Wenn ich finde,
dass das die richtigen Schritte sind, dann laufe ich sie. Egal ob sie
von Lori kommen oder von Herrn Sinicyn. Wenn sie richtig sind, dann
passen sie und dann nehme ich sie. Es war nicht meine erste Wahl
Tangomusik zu laufen, aber jetzt bin ich recht zufrieden und finde,
dass es eine gute Entscheidung ist. Ich fühle mich in dem Programm
wie in alten Schuhen, also wirklich bequem.
Q: Wie sieht die
weitere Saisonplanung aus? Hoffst du noch, zu einem Grand Prix eingeladen zu
werden oder willst du lieber andere Wettbewerbe laufen?
A: Es gibt nur
einen Grand Prix, den ich gerne mitlaufen würde, das ist Russland.
Sonst lasse ich die Saison laufen wie sie läuft jetzt. Soweit hat es
gut geklappt. Ich meine, ich war echt traurig als ich erfahren habe,
dass ich keinen Grand Prix habe. Einen Tag war ich traurig. Als ich
darüber nachgedacht habe. Und am anderen Tag bin ich aufgewacht und
dachte "Was soll's. Ich muss damit leben und damit umgehen".
Und dann dachte ich "Ja, diese Saison ist eine wichtige Saison.
Was wäre, wenn ich diese Saison perfekt für mich plane? Ich kümmere
mich gar nicht um Grand Prix. Ich plane einfach die Wettkämpfe und
es ist egal wer da kommt. Ich habe nie die Listen gesehen und
geschaut, ob z.B. Kasuka oder Mura oder wer auch immer kommt. Ich
habe nur auf das Datum geschaut, was passt. Wir haben es natürlich
mit Herrn Huth gemacht, damit es passend ist mit seinen Terminen und
Carolinas und es hat wunderbar geklappt. Mein nächster Wettkampf
sollte eigentlich Warschau-Cup sein. Aber das braucht es jetzt nicht
mehr, denn ich habe 500 Punkte geholt und ich kann sowieso nicht mehr
Punkte holen. Jetzt ist für mich wichtiger, an den Programmen zu
arbeiten und bei der Winter-Universiade zu starten und dann bei den
Nationalen Meisterschaften. Die muss ich sowieso laufen. Sie sind
wichtig, da muss ich mein Olympia-Ticket holen. Und dann
Europameisterschaften und Olympische Spiele.
Q: Welche Ziele
setzt du dir für die Saison?
A. Es klingt
vielleicht wie ein Klischee, aber ich kann es erklären: ich habe gar
keine Ziele! Ich will nur genau dieses Gefühl haben wie in Nizza und
wie in Bratislava nach der Kurzkür und nach der Kür auf dem Eis zu
stehen und innerlich zu lächeln. Dass ich zufrieden bin mit dem was
ich gemacht habe. Und für meine Kür in Nizza gab es in der
technischen Note 87 Punkte mit Fehlern... große Fehler.... Sturz im
Schritt....der Schritt ganz weg... dann waren noch ein paar
Pirouetten nicht wirklich so und da fehlt noch eine Kombi und
aus...????. Axel! Also mit vielen Fehlern 87 Punkte. Also ich war
zufrieden in Nizza. Mit dieser Leistung wäre ich im nächsten
Wettkampf nicht zufrieden. Also ich steigere es immer, aber ich mache
nicht zwei Schritte auf einmal. Immer Schritt vor Schritt. Die
Olympischen Spiele starten erst nach der EM. Also erst nach der EM
bin ich fertig mit den Vorbereitungen und gleich nach der EM kann ich
dann hinschauen zu Olympia. Die Entscheidung, was will ich bei
Olympia mache, kommt erst nach den Europameisterschaften wo ich weiß
wie ich laufen kann. Was bin ich in der Lage zu machen, was kann ich
überhaupt zeigen. Wenn ich bei der EM 290 Punke erreiche, dann kann
ich sagen "Ja, jetzt kann ich auch die Olympischen Spiele
gewinnen!Und das mache ich!" Und wenn ich bei der EM 220 Punkte
erreiche, dann muss ich sagen "Jetzt komme ich nicht unter die
ersten 15 bei den Olympischen Spielen. Jetzt muss ich was anders
machen:" Dann mache ich was anders, damit die Olympiade klappt.
Aber zum jetzigen Zeitpunkt weiß ich gar nichts darüber. Also
wirklich Schritt für Schritt und weiterhin zeigen, dass die ersten
beiden Wettkämpfe kein Zufall waren. Auch bei diesen Wettkämpfen
sind dieselben Preisrichter und die ...??spezialisten, die auch bei
der EM und den Olympischen Spielen sind. Ich habe schon mit welchen
gesprochen und sie haben sich gefreut. Und das hat mich gefreut, dass
sie sich für mich gefreut haben (lacht). Aber ich weiß, man kann
sich nicht immer steigern. Es gibt ein Niveau wo man nicht
drüberkommt. Beim Hochsprung sind es 245 cm, das hat noch der
Sotomayor gemacht damals vor 40 Jahren. Bei mir lag dieses Niveau so
lange bei 237 Punkten, dann waren es 240 und 249... also wenn es
immer mehr wird, dann würde ich mich nicht ärgern.
Q: Was macht dein
Studium?
A: Ich habe gerade
angefangen. Ich war schon dreimal in der Schule. Ich bin so
begeistert, ich liebe es, dieses MBF-Studium ist wirklich Marketing,
Management, alles.. Business Master und so was. Es ist ja etwas ganz
anderes. Ich habe meinen Abschluss in Sportwissenschaften gemacht, da
habe ich nur Bachelors und jetzt mache ich MBE-Studium und es macht
Riesenspaß.Da gibt es Leute, die haben mir Sport gar nichts zu tun.
Meine Mitschüler sind erwachsene Leute, die schon Erfahrungen im
Geschäft haben. Ich mag es einfach mit ihnen zu reden und es ist
einfach perfekt. Ich liebe es. Aber ich habe gerade erst angefangen
und ich bin deprimiert weil wir so viel Papierkram zu erledigen haben
und Projekte zu entwickeln. Aber das macht auch Spaß wenn man
rausfindet, wie man das macht ... selbst das Machen ist dann lustig.
Ich finde es ganz gut und ich bin sehr froh, dass der Olympische
Verband die Schule bezahlt, denn es ist eine Privatökonomische (??)
Schule. Sie haben mich angerufen und gesagt "Tommy, du wolltest
doch immer studieren?! Wir haben einen Plan, ein Projekt... ,also sie
arbeiten zusammen mit der Schule, wenn du die Aufnahmeprüfung
bestehst kannst du studieren und wir bezahlen das." Besser
geht's nicht! Wenn jemand für mein Studium bezahlt, gehe ich
studieren (lacht!) Es macht schon Spaß.
Q: Welche Pläne
hast du für die Zeit nach der Saison?
A: Ich habe ja
eben gesagt, ich mache Schritt für Schritt. Und jetzt fragst du
nicht nur zwei Schritte nach vorne, sondern 10 km um die Ecke
(lacht). Natürlich habe ich Pläne für nach der Saison und durch
die Schule wird alles leichter für mich. Wenn ich fertig bin mit den
Olympischen Spielen dann läuft die Schule ohne Ende und da bin ich
beschäftigt. Und wenn ich den Abschluss habe, dann sehe ich weiter.
Bei wird das so funktionieren wie overlappingsets, also die Saison
ist zu Ende, aber die Schule läuft immer noch. Und wenn die Schule
fertig ist dann läuft entweder mein eigenes Geschäft. Aber das
denke ich, werde ich noch nicht gründen. Erst einmal sollte man für
jemanden arbeiten und nicht gleich selbständig sein. Da habe ich
viele Pläne. Aber jetzt muss ich erst mal meine Schlittschuhe bis
zum Ende bringen, das ist mir wichtig. Nach den Olympischen Spielen
ist bei mir Schluss. Das ist kein Geheimnis, mein Verband weiß
davon, alle wissen davon, dass ich nicht mehr Weltmeisterschaften
laufen werde. Ich habe zwar nichts dagegen, aber ich finde es ein
bisschen doof, dass beim Eislaufen in einem Jahr Weltmeisterschaften
und Olympische Spiele stattfinden. Ich finde es nicht passend.
Eishockey macht das auch und da schaut niemand zu. Nach den
Olympischen Spielen ist alles vorbei. Natürlich ist es ein wichtiger
Wettkampf, aber ich habe die Entscheidung getroffen dass ich laufe,
aber nur bis zur Olympiade. Danach wird dann die Schule kommen und
alle möglichen Dinge. Es ist einfacher mit der Schule. Ich habe dann
nicht nach dem Eislaufen ein Vakuum, wo ich sage "was mache ich
jetzt?" Nein, ich werde immer etwas zu tun haben. Es ist leichter
für meinen Kopf (lacht).
Q: Dann bedanke
ich mich für das interessante Gespräch und wünsche weiterhin gute
Vorbereitung und viel Glück.
A: Dankeschön.
Viel Glück braucht man immer auf dem Eis, denn es ist rutschig.